
Im Verein der unaufrichtigen dafür aber gefühlsbetonten Kondolenzbekundungen, der meiner Meinung nach illegal sein sollte, sitzt diese Redewendung garantiert in der ersten Reihe und lümmelt lässig auf dem ausladenden Lederfauteuil der vorgegaukelten Anteilnahme herum.
Immer wieder nach Unglücksschlägen kleineren oder größeren Ausmaßes steht man völlig neben sich und hat dadurch eine gute Perspektive, um zu beobachten, wie sich Humanitätsautisten, die man in diesem Augenblick zum Teufel wünscht, heranpirschen, um einem sogleich auf die hängenden Schultern zu klopfen.
Die haben dann in der Mehrheit der Fälle ein sonnig beschwingtes „Tja, so ist das Leben, mach Dir nichts draus, das kann jedem passieren“ im Gepäck, was die außerkörperliche Erfahrung jäh beendet und hilft, die Schultern wieder im rechten Licht zu sehen, assistieren sie einem doch dabei, kräftig auszuholen und dem Ärger Taten folgen zu lassen.
Da man sich aber vor langer Zeit für ein gesittetes Auftreten entschieden hat, lässt man es beim Gedanken daran bewenden und verzichtet darauf, bei den Gefühlsrabauken eine Kieferkorrektur nach Augenmaß vorzunehmen. Stattdessen lenkt man sich vom eigenen Unglück ab und beginnt sich schmunzelnd zu fragen, ob sie die Phrase auch auf Beerdigungen verwenden würden.
Wenn so ein Gemütsathlet den Angehörigen eines Verstorbenen, noch während der Sarg in der Erde versenkt wird, locker mitteilt, dass das Leben so ist, werden die, wenn er sehr viel Glück hat, antworten, dass sie sich gerade das Gleiche gedacht haben und hoffen, dass der Mistkerl im nächsten Leben als Unkraut wiedergeboren wird. Diese Einstellung gibt zwar mieses Karma, aber zumindest haben sich dann gleichgesinnt herzliche Menschen gefunden.
Wenn er nur ein wenig mehr Glück als Verstand hat, wird ihm wahrscheinlich mitgeteilt, dass die Bemerkung eventuell suboptimal bis unpassend sei, weil es hier der Tod ist, der so ist, worauf einer philosophischen Soiree nichts mehr im Wege steht.
Wenn er allerdings Pech hat, was den Normalfall darstellen dürfte, und das Grab geräumig genug für weitere Kundschaft ist, könnte es auch sein, dass die Angehörigen sein eigenes Leben auch einfach mal so sein lassen und auf unbefristeten Urlaub schicken.
Die Abwägung darüber, ob es angebracht ist, die Wendung auf einer Beerdigung zu verwenden liefert also Anhaltspunkte dafür, ob sie bei anderwärtigen Schicksalsschlägen angebracht sein könnte. Zusätzlich mag es auch hilfreich sein zu überlegen, ob das Einbringen von Informationen, die im Bestfall ein „Sag bloß!“ nach sich ziehen, als sinnvoll zu erachten ist.
Interessanterweise geht der Satz all jenen besonders leicht über die Lippen, die, kaum ereilt sie mal selbst ein kleines Unglück, sofort damit beginnen, ohne Unterlass herumzulamentieren und darüber zu heulen, wie ungerecht doch die Welt ist. Sieh mal einer an, wie schnell Autismus geheilt sein kann. Offenbar ergibt sich aus etwas Schlechtem immer wieder einmal auch etwas Gutes. Was soll ich sagen, so ist das Leben.
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Super geschrieben! …… C’est la vie
He, he Maximus, da scheint Dir ja erst kürzlich eine solche „Weisheit“ gewaltig auf den Magen geschlagen zu haben! Obwohl – wenn ich es bedenke – eine solche Plattitüde sollte man tatsächlich besser „hinunter schlucken“ als von sich geben, selbst wenn sie natürlich per se nicht unrichtig ist. Leider hat das Leben, so schön es mit unter sein kann, solche „Watschen“ und „Tiefschläge“ immer wieder für uns parat. Was also sollte ein „Mitfühlender“ tun? Sollte man sich vielleicht einmal eine Liste mit darauf passenden, gefühlvollen Äußerungen zulegen? Ist nur ein Scherz, denn das wäre ja im “Bedarfsfalle“ nicht wirklich ehrliche Anteilnahme, die da bei dem oder der Bedauernswerten ankommen würde.
Ich versuche, wenn ich tatsächlich tiefe Betroffenheit fühle, das zumeist durch eine stille Umarmung oder einfach durch einen Händedruck auszudrücken. Das soll und kann allerdings kein Rat sein, den ich für Andere parat habe, denn als Warnung gesagt, ich gelte leider zuweilen als ein wenig gefühlsarm, eine Beurteilung, die natürlich auch nicht so angenehm ist und mich – zugegebenermaßen – ab und zu ein wenig verletzt.
Letztlich denke ich daher, dass Mann und Frau sich am besten immer so verhalten und reden sollten, wie sie in ihrem Herzen empfinden. Das käme wohl immer richtig an.
Übrigens eine Redewendung, die mich in ähnlichen Situationen, sofern sie gedankenlos dahingesagt wird, auch immer ärgert: „Das Leben geht weiter.“ Nicht gerade beruhigend oder tröstlich. Es weiß ja schließlich niemand, wie lange das für den Einzelnen sein wird, und auch nicht, wie viele schlimmen Momente das „Weiterleben“ bis zum „End-Abschied“ noch bereit hält – glücklicherweise, wie ich meine!