
Die Katzenüberlegungen erscheinen als regelmäßige Glosse („Katzenjammer“) im Magazin all4pets, aktuelle Ausgabe 2/2015 (www.all4pets.at).
Eine eigene Terrasse macht glücklich. Ein Platz, frei von Postboten, Müllmännern, Nachbarn im speziellen und allgemeinen, kleinen Kindern mit Patschhänden, Zeitungsausträgern, Verwandten, Bekannten oder sonstigen Freunden der Familie. Und in jedem Fall frei von felligen Nachbarskatzen, mit schwarzweißem Keilgesicht.
So lag ich also letztens friedlich in der Sonne, hielt meinen Bauch gen Himmel, einzig sichtbar für die Wolken, meine seltsame Mitbewohnerin und vielleicht noch Google Earth.
Doch plötzlich erblickte ich das Keilgesicht, wie es über die Balkonbalustrade vom Nachbarsbalkon herüberschlurfte. Ich erstarrte. Das Pelztier stolzierte über den Mauervorsprung, schnüffelte an meinem Pfefferminzbusch, fraß mein Katzengras und trank Wasser aus meinem Blumenuntersetzer. Dann ließ er sich mit seinem Fellpopo exakt an meinem Aussichtsplatz nieder, schleckte sich die Pfoten, zufrieden wie ein Bär im Honigland. Er schien mich nicht zu sehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich nicht wagte, auch nur einen Knurrlaut, der mir bereits in der Kehle steckte, von mir zu geben, machte er kehrt und ging zurück in seinen Bau.
Ich war echauffiert. Eine Ungeheuerlichkeit war das! Der wagte es doch tatsächlich, in meine intimste Intimsphäre einzudringen, und das mit einer Selbstverständlichkeit, die man nur bei abgehalfterten halbstarken Straßenkötern findet. Das konnte ich mir nicht bieten lassen. Gleich am nächsten Tag ging ich zum Gegenangriff über.
Ich sprang auf den Mauervorsprung und lugte zunächst mal etwas um die Ecke. Die Nebenterrasse sah anders aus als unsere, und sogleich erkannte ich: Hier wohnten Snobs. Und Snobmenschen haben Snobkatzen. Wahrscheinlich hieß das Keilgesicht „Jerome“ oder „Orlando“.
Die Terrassentüre stand offen. Niemand war zu sehen. Oder zu riechen. Mensch und Tier schienen ausgeflogen, also tat ich das Unfassbare, ich betrat fremde Welten.
Als erstes stach mir der riesige Kratzbaum in der Ecke ins Auge, mindestens so hoch wie der Eifelturm. Tausend Arme, Äste, Höhlen und Stege, ein protziger Palast für aberwitzige, fellige Schmutzfänger.
Aber damit nicht genug, in der anderen Ecke stand ein weiteres Exemplar, etwas niedriger, mit obendrauf einem Bettchen für Keilgesichtchen. Pah! Überall lagen kleine Dinge am Boden. Wollknäuel, ferngesteuerte Fellmäuse, Gummikugeln…
An der Wand standen die Futternäpfe. Ja genau, Mehrzahl. Ein roter mit Trockenfutter, nein, mit Trockenfutterspender, ein grüner für saftiges Schlemmerfleisch, und schließlich ein Wassertrog, so groß wie das Mittelmeer, sicher mit Direktanschluss ans städtische Wassernetz. Ich lachte hämisch in mich hinein. Dieser Kater war ein verweichlichtes Schnuckiputz, eine Luxuskatze und seine ganze Coolness sollte wohl darüber hinwegtäuschen, dass er ein verwöhnter kleiner Zeck war.
Und dann sah ich das Katzenklo. Es sah aus wie ein Möbelstück, mit Laden und Kästchen und Hebeln. Musste Keilgesicht etwa die Wasserspülung betätigen? Anscheinend gab es da eine Vorrichtung, wo seine Geschäfte sofort im Nirwana verschwanden. Was für ein Albtraum. Und dann konnte ich mich vor Lachen nicht mehr halten. Auf der Frontseite war ein Bild angebracht, und darauf sah man … Keilgesichts Keilgesicht! Hahahaha, das war die Krönung! Wie peinlich. Darüber stand geschrieben „Scotty“, na ja zumindest besser als „Jerome“.
Jetzt fiel mir erst auf, dass überall an den Wänden Fotos hingen: Keilgesicht am Kratzbaum, Keilgesicht am Mosaikboden, Keilgesicht beim Fressen, beim Schlafen, in der Sonne, im Regen, im Kleiderschrank, im Katzenklo, hä? Plötzlich tat er mir leid. Kein Wunder, dass der Arme bei uns Zuflucht suchte, wer selbst null Privatsphäre hat, muss sich eben ein Stück von meiner klauen. Sei‘s drum.
Als ich zurück auf meinem Grund und Boden war, saß meine seltsame Mitbewohnerin in der Sonne, ich sprang auf ihren Schoß und begann sofort zu schnurren.
Tja, oft hatte sie ja einen gewaltigen Piepmatz im Oberstübchen. Aber sie ließ mich Katze sein, und das war das Allerwichtigste.
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