Lassen Sie uns kurz über das charakteristischste Kleidungsaccessoire einer Frau reden, das Klischeekleidungsstück, welches alle Mädels glücklich macht: Schuhe. Wir Männer rollen da augenblicklich mit den Augen und denken genervt an die vielen Stunden des Wartens, wenn wir mal wieder an der Information des Einkaufscenters abgegeben wurden, oder den Umstand verwünschen, beständig vorspielen zu müssen, des Atems beraubt zu sein, wenn uns das nächste Paar präsentiert wird. Was uns dann von Simulanten zu armen Schluckern macht, die tatsächlich nach Sauerstoff japsen, ist der Preis, der auf dem zugehörigen Karton aufgedruckt ist.
Frauen reagieren auf unsere affektierte Haltung meist völlig ratlos. Für sie sind Schuhe nicht einfach ein popeliges, aber kostspieliges Accessoire, sondern stellen den Hauptinhalt von Kleidung dar, bilden sozusagen die Existenzberechtigung für alle anderen Kleidungsstücke und die gesamte Modeindustrie. Viele fühlen sich mit Schuhen bereits völlig angezogen. (Gut, unter gewissen Umständen mag das sogar so sein.) High Heels, Slingpumps, Ballerinas, Mary Janes, Peeptoes, Ankle Boots, Stiefel und alles was die Schuhfauna sonst noch zu bieten hat, sind den Frauen Belohnung, Trost, Freude, Adrenalinkick, Vertrauter, Abenteuer, Verlangen, Hingabe, Erfüllung und sogar Lebensphilosophie. Moderne Schuhpolygamistinnen finden nun mal, dass Schuhe Charakter haben und einen Teil ihrer Persönlichkeit auf magische Weise zum Ausdruck bringen. Und weil Frauen über vielschichtige Persönlichkeiten verfügen, befehligen sie eine Schuhinfanterie, die nicht selten mehrere hundert Paar Soldaten zählt.
Ich bin überzeugt, dass es für Vertreterinnen des weibliche Geschlechts ganz selbstverständlich wäre, würde alljährlich am, für dieses Jahr jüngst vergangenen, Weltfrauentag Manolo Blahnik persönlich vor ihrer Tür stehen, rasch mit seiner neuesten Kreation den Aschenputteltest durchführen und sich herausstellen, dass er das Paar, wie zu erwarten war, perfekt an die anatomischen Gegebenheiten des erlauchten Fußes der Probandin angepasst designed hat. Wobei mir bewusst ist, dass männertypische Kaufargumente wie „Der passt!“, bei Frauen an den scharfen Klippen der Bedeutungslosigkeit zerschellen. Geht es um die Auswahl adäquaten Schuhwerks, bedeutet passend nämlich ideal für den jeweiligen, bereits seit Wochen feststehenden Anlass, zu dem er dann getragen wird. Einige kaufen sich beispielsweise extra ein Paar umwerfende Schuhe, um sie zu tragen, wenn sie sich das nächste Mal auf die Suche nach DEM ultimativen Paar machen. Man will ja schließlich Eindruck machen, denn oft findet frau nicht die Schuhe, sondern die Schuhe finden ihre neue Trägerin.
Während die Damenwelt zum Schuhkauf also ein amouröses Verhältnis pflegt, unterhält sie zumindest zu Stilettos ganz sicher eine erotische Beziehung, ohne dabei aber jemals ins Pornografische abzudriften. Zugegebenermaßen existieren häufig mehrere favorisierte Paare gleichzeitig, was ein aufwändiges Outfitmanagement erforderlich macht. Aber aufrichtig geliebt werden sie alle.
Keinesfalls darf man als Laie jedoch denken, dass Frauen reine Sammler wären. In Wahrheit sind sie abgebrühte Jägerinnen, die sowohl auf der Pirsch als auch beim Genuss des frisch erlegten „Schuhpret“ zahlreiche Entbehrungen wacker auf sich nehmen. Ich möchte Ihnen die grausamen Einzelheiten des Jagdrechtes ersparen und es bei folgendem Euphemismus belassen: Was zählt ist am Ende mit den Schuhen nachhause zu gehen, völlig egal, ob man die erste war, die sie gesehen hat, wer noch dahinter her war, was den anderen Jägerinnen auf dem Weg zugestoßen ist, und ob auf der Sohle die richtige Größe prangt.
Nun, das mit der Größe sollte aber gar nicht überbewertet werden, denn wenn der Schuh perfekt sitzt, kann auch schon mal ein wenig Enttäuschung aufkommen. Eine beträchtliche Anzahl an Frauen schätzt es, beim Tragen des neuen Lieblingsexemplares aufgrund der Absatzhöhe und des eineinhalb Größen zu kleinen Schnitts das Gefühl in den Zehen zu verlieren. Verständlich, verleiht dies doch nach wenigen Minuten das unvergleichliche Gefühl schweben zu können. Andere bevorzugen eher walnussgroße Blasen an den Füßen, weil man sich das Tragen eines so exklusiven Paars erst durch Schmerz verdienen muss. Schönheit muss eben leiden, und schließlich war die Jagd auch kein Vergnügen.
Ein dieserart ausgeprägter Schuhfetischismus hat darüber hinaus noch weitreichende Konsequenzen, die man im ersten Moment kaum bedenkt. So sorgen mittlerweile geschäftstüchtige Unternehmen dafür, dass artgerechte Habitate für die zwei- bis dreihundert notwenigsten Paar zur Verfügung stehen. Die Schuhschränke bieten ein garagengroßes Platzangebot, so dass man als Mann versucht sein könnte, seinen Hummer H2 (für die eher lederaffinen unter Ihnen: Das ist ein wirklich großes Auto) dort abzustellen und beim Aussteigen die Tür lässig voll aufschwingen zu lassen. Soweit würde es aber gewiss niemals kommen. Einerseits, weil die wenigsten über einen Hummer verfügen, was jedoch das kleinere Problem dabei wäre. Das wahre Hindernis wäre die Schuhmutter, mit der ähnlich locker zu spaßen wäre, wie mit einer Krokodilsmama, die sich und die lieben Kleinen zwei Wochen unfreiwillig auf vegane Diät setzen musste. Überdimensionierte Schuhschränke führen in weiterer Folge dazu, dass Vorräume größer werden als Wohnzimmer und sich die Kleiderschränke diskriminiert fühlen.
Wohin das führen kann, sieht man an einer Freundin von mir, nennen wir sie Anna. Es empfiehlt sich ihren Namen zu ändern, da sie bereits unzähligen Jagdgenossinnen die besten Schuhe vor den Füssen weggeschnappt hat, ihnen praktisch immer eine Zehenspitze voraus war. Vor kurzem hat sie ein Fest zum Erwerb ihres fünfhundertsten Paars gegeben und im Zuge dessen auch gleich den eigens für die Schuhe errichteten Anbau ihres Hauses eingeweiht. Man könnte Anna auch als die Definition der Schuhliebhaberin bezeichnen. Sie ist ein wahrer High Heels-Junkie und wird die erste Frau sein, deren Absatzhöhen aneinandergereiht bis zum Mond reichen werden. Die Pumpssucht von Carrie Bradshaw basierte ursprünglich auf Anna, musste dann aber abgeschwächt werden, weil sie dem Sender HBO zu heftig erschien. Immer wenn ich Anna treffe, muss ich kurz nachdenken, ob sie es auch wirklich ist, denn mal begegnet sie mir auf Augenhöhe, mal reicht sie mir bis zum Kinn, je nachdem, welches Paar die interne Ausscheidung für den Tag für sich entscheiden konnte. Woran man sie aber immer erkennen kann ist ihr Gang. Sie bewegt sich auf hohen Hacken, als wären diese ein Teil ihres Körpers. Ich glaube sogar, dass ihr erstes Paar Stilettos bei der Geburt mitgeliefert wurde und man sie erst zum Schreien brachte, als ihr die Hebamme die Schuhe klauen wollte.
Zusammenfassend kann jedenfalls gesagt werden, dass ausführlichere Betrachtungen zur Schuhpsychologie der Frau und facettenreiche anekdotische Geschichten über die Verschmelzung von Trägerin und Schmuckstück der Begierde ganze Bände füllen könnten, die aber nie jemand schreiben wird, weil die Bibliothek dem neuen begehbaren Schuhschrank Platz machen musste.
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Anna sollte Ihren Herzbuben auf jeden Fall dazu bringen ihr einen Schuhschrank zu bauen. Und zwar einen in der Art wir Kurt Russel ihn für Goldie Hawn gemacht hat in Overboard 🙂
Liebe Stachi!
Das werde ich natürlich gerne weiterleiten. Allerdings ist nicht jeder ein Kurt Russel und auch nicht jeder ist ein Tischler, und nicht jeder hat so viel Spaß an Schuhen wie eine Frau, und nicht jeder kann diesen Schuhtick nachvollziehen und nicht jeder aaaahhhhhh!
Hoppla, da bin ich wohl kurz falsch abgebogen. Eigentlich wollte ich ja nur sagen, dass Anna inzwischen in einem Schuhschloß wohnt und in einem Schuhbettchen schläft und ziemlich zufrieden ist.
Liebe Grüße
Maximus
Lieber Maximus!
Bin immer mal wieder erstaunt was du so alles weißt.
Ich zB. hätte Mary Jane(s) einfach als Frauennamen abgetan, nicht als einen Schuh. Mir ist es ganz egal wie die Bezeichung für einen Schuh ist, wenn er mir gefällt wird er gekauft. Schmerzen sind nebensächlich, hast vollkommen Recht.
Finde auch, dass fast jede Frau so einen Jagdtrieb hat, ob nun bei Handtaschen, Schuhen oder sonst was. Man bzw. Frau braucht ja was um sich zu belohnen 🙂
Wenn einmal alles schief geht, ich mich schlecht fühle oder sonst einfach alles nur gaga ist, heitert mich ein Besuch im Schuhgeschäft meines Vertrauens doch ziemlich auf. Was soll ich machen, immer Schoko essen ist nicht gesund, weder für die Haut noch für die Figur, aber Schuhe passen einfach immer. Fühlt sich gleich viel besser und sexyer an wenn man auf einmal 10 – 15 cm größer ist. Aber auch sonst und soundso sind Schuhe einfach toll.
Liebe Grüße
Schuhbidu
PS: Eigentlich bin ich enttäuscht das ich nicht die erste bin mit nem Kommentar, aber was soll ich machen, das Geld für die Schuhe muss ja erst mal verdient werden 🙂
Liebe Schuhbidu!
Es ist tatsächlich erstaunlich, wieviel Schuharten es für Frauen gibt, bzw. welch ausgefallene Namen da oft herhalten müssen.
Ansonsten scheint es, dass ich Dir aus der Seele geschrieben habe und das freut mich, denn dann hab‘ ich wohl den richtigen Nerv getroffen. Und natürlich hast Du recht, Schuhe sind zwar teurer als Schokolade, dafür belasten sie die Waage deutlich weniger, außer vielleicht die Dinger haben Stahlkappen, aber das kommt bei Mädchen ja eher selten vor.
Liebe Grüße
Maximus
[…] Accessoire besonders an, denn wer da schon durchfällt, bei dem brauche ich nicht mehr auf die Schuhe achten. Auch bei der Seidenfliege gibt es große Unterschiede und ich denke mir immer, wenn dann […]